Was sagt die Gesichtsbehaarung über einen Mann aus? – Ein Bartexperte erzählt
Während des ersten Weltkriegs mussten sich die Soldaten glatt rasieren, da die Gasmaske sonst nicht ordentlich saß. Im zweiten Weltkrieg galt die einzige modische Zulassung dem Zahnbürsten-Schnauzer (Popelbremse). Zum Jahrtausendwechsel brachte man Vollbärte nur in Verbindung mit Kerlen am Rand der Gesellschaft, wie Bikern oder Naturburschen. Mitte der 2000er wurde der Bart wieder modern.
Lumbersexualität: Eine Art Gegenbewegung zum metrosexuellen Mann. Holzfällerhemden, kernige Stiefel und Rauschebart statt androgyner Erscheinung. Mit Vollbart und Karohemd verkörpert der lumbersexuelle Mann den urbanen Holzfäller, der geradewegs aus der Wildnis in die Szenenkneipen der Metropolen umgesiedelt ist. Quelle: wiktionary
Benjamin Powers aus Brooklyn, New York meint, Brooklyn scheint die Hauptstadt der seltsamsten und extravagantesten Gesichsthaarstile der Welt zu sein. Sollte es irgendwo einen Ort geben, an dem es mehr lumbersexuelle Männer gibt, dann habe er ihn noch nicht gefunden. Gesichtsbehaarung ist en vogue, vom Holzfällerbart bis zum übertrieben gewachsten Schnurrbart, gezwirbelt oder nicht, inzwischen wird alles als normal angesehen, was uns früher zwar nicht schockiert, aber zumindest übererascht hätte. Heutzutage lernen Männer sogar sich einen Bart anständig wachsen zu lassen und rasieren ihn sich passend zur Gesichtsform.
Powers sagt alle Trends müssten irgendwann ineinander verschwimmen. Wenn wir eine Stilentscheidung bezüglich unserer Bärte träfen zeigten wir damit Aspekte unserer Persönlichkeit.
Mit diesem Gedanken im Hinterkopf sprach Powers mit dem Bartexperten Allan Peterkin, Universitätsprofessor und Buchautor von bislang 14 Büchern, darunter Der bärtige Gentleman: Ein Stilführer zur Gesichtsrasur* und Tausend Bärte, eine kulturelle Geschichte der Gesichtsbehaarung*. Peterkin arbeitet außerdem als Berater für namhafte Firmen wie Dove Men & Care, Braun, Philips und Wahl. Bei den Bart- und Schnurrbart Weltmeisterschaften, in Las Vegas und Portland, saß er 2014 in der Jury.
*Die Buchtitel wurden übersetzt. Deutsche Fassungen der Bücher gibt es leider nicht.
Der Professor erklärte, dass heutzutage die Gesichtsbehaarung des Mannes dazu diene ein Statement über die eigene Persönlichkeit zu setzen, während Bartstile früher von Königen, Politikern und Geistlichen vorgelebt und somit aufdiktiert wurden. Diese Stile zeigten den sozialen Status oder religiöse Zugehörigkeit. Das postmoderne Gesichtshaar ist verspielt, rebellisch und sexy aber man weiß nie, was ein Mann damit bezwecken will, bis man ihn fragt. „Und wieder andere lesen das Gesicht mit eigenen Assoziationen. Ich könnte den Nikolaus sehen, während du den Teufel siehst.“
Wirklich verwirrend ist die Idee, dass man etwas mit der Gesichtsfrisur repräsentiert, das vielleicht nicht zu dem passt, das man kommunizieren will.
Bringen wir Licht ins Dunkel…
Der Schnurrbart (engl.: mustache)
Wir kennen ihn alle und über ihn ist man sich uneinig. Charles Bronson und Burt Reynolds sind unvorstellbar ohne ihn, bzw. waren sie das zu ihren Glanzzeiten… damals. Heute scheint er wieder zu kommen, wird jedoch noch nicht prinzipiell akzeptiert. Was sagt er aus? „Ein typischer Freigeist“, meint Peterkin, „dem es egal ist, ob du seinen Schnurrbart zwielichtig oder sexuell zweideutig (ein Fingerzeig auf die Pornostars und Homosexuellen der 1970er) siehst. Er erwartet, dass sein Schnurrbart als Gesprächsstarter funktioniert.
Der Kinnriemenbart (engl. chinstrap beard)
Dieser Bart hat gewisse Ursprünge. Trägst du so einen, könnte man dich für einen Trekkie oder einen Amish halten. Gehörst du zu keiner dieser Gruppen ist dieser Bart kein Gewinn für dich, so Peterkin.
Der bekannteste Träger dieses Stils war wohl Abraham Lincoln. Er trug ihn mit Stolz und er war der bis dato beliebteste Präsident der Vereinigten Staaten.
Der Drei-Tage-Bart (engl. scruff)
„Der gepflegte Stoppel-Look passt zu jedemmännlichen Gesicht und ist der beliebteste Stil, auch aus weiblicher Sicht.“ Dieser Stil gilt schon lange nicht mehr als ungepflegt, unrasiert oder räudig. Prominente, ob Sportler, Schauspieler oder Musiker machen es vor. Der geht immer und überall.
Der Vollbart
Der Vollbart ist nicht nur in Brooklyn beliebt. Einst den Holzfällern vorenthalten, kam er mit Pauken und Trompeten zurück um jetzt gewöhnliche Männer zu zieren. Laut Peterkin wird er in der heutigen Zeit assoziiert mit Hipstern, Professoren oder Naturburschen. Berühmte Vorbilder, wie Chris Hemsworth (Thor) oder Gerard Butler (Leonidas in 300) helfen dabei den Vollbart wieder salonfähig zu machen.
Der Ziegenbart (engl. goatee)
Mitte der 1990er war das der beliebteste Stil, sagt Peterkin. Schon damals konnte man ihn nicht mehr sehen. Bei Landeiern und Country-Fans ist er immer noch beliebt und Brad Pitt ist ein prominenter Träger dieses Stils.
Der Halsbart (engl. neck beard)
Dieser Bart ist genau das wonach er klingt. „Nicht besonders toll – ein wenig zu haarig für die Meisten“, sagt Peterkin, „aber Respekt vor demjenigen, der ihn tragen kann. Ich habe noch niemanden gesehen, dem der Halsbart steht, aber ich habe noch Hoffnung.“
Peterkin erklärt, dass die Bartmode zyklisch sei und dass wir momentan etwa 20 Jahre tief in der aktuellen Bartmode stecken. Er glaubt, wir würden innerhalb der nächsten fünf Jahre wieder zur Glattrasur zurück finden. Ausnahme bildet der Drei-Tage-Bart, er wird immer IN sein, solange er gepflegt aussieht.
In seinem Buch Tausend Bärte, eine kulturelle Geschichte der Gesichtsbehaarung erwähnt Peterkin, dass sich bereits Höhlenmenschen Gedanken um ihre Gesichtsbehaarung machten, belegt durch Höhlenmalereien. Die Rasur wurde damals mit Muschelschalen durchgeführt. Somit scheint die Frage, ob man sich einen Bart stehen lassen will oder nicht, so alt wie die Menschheit selbst.
„Hat die Länge und das Wachstum des Bartes einen Einfluss auf die Penisgröße und die Männlichkeit?“
Und obwohl manche Männer bartneidisch sind, war seine Antwort selbstverständlich „Nein“.
Aus dem Englischen. Quelle: askmen